Aufgepasst, denn jetzt ist Ihr Vorstellungsvermögen gefragt. Ähnlich wie Marty McFly und Doc Brown werden auch Sie zu Zeitreisenden. Doch im Unterschied zu den beiden Filmhelden schauen wir uns ein etwas realistischeres Szenario an.

Tamara Kleedorfer, Exnaton AG

Wir schreiben das JahrDie atemberaubende Kulisse von Alpendörfern und die facettenreiche Architektur der pulsierenden Städte der Schweiz sind von den Bemühungen der Energiewende geprägt. Photovoltaikanlagen schmücken die Häuserdächer und sind strategisch in die Landwirtschaft und entlang von Autobahnen integriert, während sich Windräder über weite Täler erstrecken, bis sie im Horizont verschwinden.

In einem idyllischen Dorf begegnen wir Familie Müller. Karl und Lisa Müller, beide berufstätig und stolze Eltern von zwei lebhaften Kindern, haben bereits vor Jahren den Schritt in Richtung nachhaltiges Eigenheim unternommen. Ihr Zuhause wird nicht nur von einer Photovoltaikanlage auf dem Dach geschmückt, sondern verfügt auch über eine elektrische Wärmepumpe und eine intelligente Haussteuerung, die den Energieverbrauch mit Bedacht optimiert. Trotz ihres Elektroautos und Stromfresser im Haus können die Müllers ihren selbst produzierten Strom nicht vollständig verbrauchen. Ihren Überschuss verkaufen sie an das ältere Ehepaar Grünsteig von nebenan und den Rest der Nachbarschaft.

Jungunternehmerin Sarah hat sich vor einigen Monaten den Traum von ihrer ersten eigenen Wohnung in einem modernen fünfstöckigen Mehrparteienhaus in der Zürcher Innenstadt erfüllt. Auch hier hat die Energiewende Einzug gehalten, und Sarah und ihre Nachbarn profitieren von lokal erzeugtem Strom durch die Photovoltaikanlage auf dem Gemeinschaftsdach. Selbst ihr Elektroauto findet in der Garage des Wohnkomplexes einen Platz zum Laden. Es ist so eingestellt, dass es vorrangig geladen wird, wenn erneuerbare Energie verfügbar ist – sprich, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht.

Im benachbarten Haus lebt Sarahs Freund Stefan. Da er keinen eigenen Balkon hat und sein Wohngebäude über keine Gemeinschaftsanlage verfügt, hat er sich einen alternativen Weg gesucht, um Zugang zu lokal erzeugter grüner Energie zu erhalten. Ähnlich wie die Bewohner der benachbarten Häuser hat Stefan Anteile an einem Windkraftwerk erworben und wird nun ebenfalls mit erneuerbarer Energie versorgt, ganz ohne eigene Anlage. Landesweite Initiativen und der stetige Ausbau erneuerbarer Energiequellen der letzten Jahrzehnte hat die Vision einer flächendeckenden Versorgung mit nachhaltiger Energie Realität werden lassen.

In der klimaneutralen Schweiz des Jahres 2050 hat jeder und jede Zugang zu grüner und günstiger Energie. Doch während diese Schilderungen nach utopischen Träumereien klingen mögen, enthüllen sie tatsächlich keine fiktiven Zukunftsszenarien. Nein, sie sind vielmehr ein Vorgeschmack auf das, was bereits in Bewegung ist – ein Blick auf eine vielversprechende grüne Energiezukunft, die von der Bevölkerung aktiv gestaltet wird.

ZURÜCK IM HIER UND JETZT: NACHHALTIGE ENERGIEKONZEPTE
Genug der Zukunftsvisionen, denn die kollektive Energieversorgung, also die gemeinschaftliche, dezentrale und lokale Produktion, Nutzung und Verteilung von erneuerbaren Energieressourcen zwischen verschiedenen Teilnehmenden, ist bereits in der Gegenwart angekommen. Während einige Konzepte bereits erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden, stehen andere in den Startlöchern, um schon bald Wirklichkeit zu werden.

Ein bereits etabliertes Modell für kollektive Energieversorgung ist der Zusammenschluss zum Eigenverbrauch, kurz ZEV genannt, den wir anhand des Beispiels der Jungunternehmerin Sarah in unserer Zeitreise kennengelernt haben. Die Struktur eines solchen Zusammenschlusses kann unterschiedliche Formen annehmen, folgt jedoch dem gleichen Prinzip: Eine alternative Stromquelle, beispielsweise eine Solaranlage auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses, erzeugt Energie, die an die Bewohner des Hauses verkauft wird. Weiter gedacht kann sich ein ZEV auch über mehrere Gebäude erstrecken, sofern diese durch ein privates Netz verbunden sind.

Die Teilnehmenden des Zusammenschlusses erhalten dadurch Zugang zu lokal produziertem grünem Strom, für den sie weniger bezahlen als für den Bezug vom herkömmlichen Energielieferanten. Ausserdem müssen sie selbst keine Investitionen in eine Anlage tätigen. Immobilieneigentümer hingegen erzielen als Besitzer der Anlagen durch den Verkauf innerhalb des Konstrukts höhere Erlöse, als wenn sie ihren Überschuss ins Netz einspeisen. Daraus ergibt sich ein besonders wirtschaftlicher Betrieb der Erzeugungsanlage und eine schnellere Amortisation. Angesichts dessen, dass etwa 60Prozent der Schweizer Bevölkerung in Mehrfamilienhäusern leben, erweist sich das ZEV-Modell als äusserst geeignet, profitabel für alle Beteiligten und leistet zudem einen Beitrag zur heimischen Energiewende.

Insbesondere in städtischen Gebieten, in denen nicht alle über eine eigene Hausdachfläche oder einen Balkon zur Installation von Photovoltaikmodulen verfügen, erscheinen die Optionen zur eigenen Stromproduktion begrenzt. Um dieser Herausforderung entgegenzuwirken, entstehen zunehmend sogenannte Beteiligungsmodelle, ähnlich demjenigen, an dem Stefan aus unserer Zeitreise teilnimmt. Dabei errichten Energieversorgungsunternehmen oder Energiedienstleister schrittweise Windkraftanlagen und Solarkraftwerke. Privatpersonen und Unternehmen können durch den Erwerb von Anteilen an solchen Anlagen zu virtuellen Prosumenten werden. Sobald diese in Betrieb genommen werden, speisen sie den produzierten Strom ins öffentliche Netz ein, und die Teilhabenden profitieren im Gegenzug von einer jährlichen Gutschrift für Solarstrom auf
ihrer Stromrechnung. Dies führt nicht nur zu einem deutlichen Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien im Gesamtstrommix, sondern ermöglicht es Energieversorgern und Energiedienstleistern, neue Projekte effizienter zu finanzieren und ihre Kundengruppe in städtischen Gebieten zu erweitern. Darüber hinaus übernehmen sie die technischen Risiken sowie die Installation, Wartung und gesetzeskonforme administrative Abwicklung der Anlage, was den Aufwand für Investoren minimal hält. Diese können somit zu einem geringen Aufwand und Risiko und bereits zu kleinen Beträgen am Projekt teilnehmen, zusätzliche Einnahmen generieren und gleichzeitig einen Beitrag zur Förderung erneuerbarer Energien leisten. Ausserdem tragen Beteiligungsmodelle zur generellen Akzeptanz von alternativen Erzeugungsanlagen im ländlichen und städtischen Bereich in der Bevölkerung bei und stärken das kollektive Engagement für eine nachhaltige Energieversorgung.

Ein innovatives Energiekonzept, welches noch in den Kinderschuhen steckt, sind die lokalen Elektrizitätsgemeinschaften, kurz LEGs genannt, wie jene von Familie Müller. Auch hier ist die Rede von lokalen und regionalen Zusammenschlüssen von Privatpersonen und Unternehmen, die gemeinsam erneuerbare Energie vor Ort produzieren, untereinander teilen und verbrauchen. Im Unterschied zum bereits etablierten ZEV-Modell sind in dem Konstrukt mehrere erzeugende Parteien involviert. Genauer gesagt können dies einerseits reine Produzenten, beispielsweise grosse Anlage, die lediglich für die Energiebereitstellung zuständig sind, und andererseits Prosumenten sein, also jene Teilnehmende, die ihren eigenen Strom produzieren und nutzen, ihn aber nicht zur Gänze verbrauchen und deshalb ihren Überschuss an die Gemeinschaft verkaufen. LEGs sind zudem nicht auf eine private Netzinfrastruktur beschränkt, sondern können sich dank der Nutzung des öffentlichen Netzes über eine ganze Gemeinde oder das Gebiet eines Verteilnetzbetreibers erstrecken. Besonders attraktiv sind dabei die finanziellen Anreize, die für den nachbarschaftlichen Stromhandel in Aussicht gestellt werden. Abhängig von der Anzahl der involvierten Netzebenen, können Netzentgelte voraussichtlich bis zu 60Prozent reduziert werden, was erhebliche Kosteneinsparungen für die einzelnen Teilnehmenden bedeutet. Im September 2023 hat die Schweiz mit der Verabschiedung des «Bundesgesetzes für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien», auch Energie-Mantelerlass genannt, ein neues Kapitel in der Energiewende aufgeschlagen. Dieser enthält erstmals konkrete Bestimmungen rund um lokale Elektrizitätsgemeinschaften und stellt dadurch die Weichen für den nachbarschaftlichen Stromhandel innerhalb von LEGs ab Jahresbeginn 2025.

SO GEHT ES WEITER: DEZENTRALISIERUNG, DEKARBONISIERUNG, DIGITALISIERUNG
Unsere Zeitreise in die klimaneutrale Schweiz des Jahres 2050 hat uns einen Blick in die vielversprechende Zukunft der schweizerischen Energieversorgung gewährt. Zurück in der Gegenwart zeigt sich, dass Konzepte der kollektiven Energieversorgung bereits teilweise Wirklichkeit sind und vermehrt an Bedeutung gewinnen werden.

«Dezentralisierung und Dekarbonisierung» lautet dabei die Devise im Ausbau erneuerbarer Energien. Doch das alleine reicht nicht. Zusätzlich muss die Netzinfrastruktur intelligent gestaltet und es müssen Massnahmen zur Effizienzoptimierung der Energieversorgung und nutzung getroffen werden. Zur Angleichung der Diskrepanz zwischen Produktionszeiten von Erneuerbaren (bei Sonnenschein und Wind) und dem Zeitpunkt des Stromkonsums werden dynamische Stromtarife eine wesentliche Rolle spielen. Diese Tarife bieten finanzielle Anreize für den Strombezug ausserhalb von Spitzenzeiten, indem sie niedrigere Marktpreise zu Zeiten hoher Energieverfügbarkeit ermöglichen. Dadurch werden Kunden motiviert, ihr Verbrauchsverhalten anzupassen. Sie schaffen ausserdem eine gesteigerte Transparenz, welche den Verbrauchern ein besseres Verständnis komplexer Energiemarktprozesse vermittelt und Selbstbestimmung und Kontrolle über ihre individuelle Stromrechnung gewährt. Besonders in den nordischen Ländern sind dynamische Stromtarife bereits auf dem Vormarsch. Auch das Nachbarland Deutschland setzt vermehrt auf eine variable Strompreisgestaltung und nimmt diese sogar in die Gesetzgebung auf, wonach nach §41a des Energiewirtschaftsgesetzes Energieversorgungsunternehmen schrittweise bis 2025 zu ihrer Einführung verpflichtet sind.

Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, bedarf es einer voranschreitenden Digitalisierung und technologischen Fortschritts. In diesem Kontext präsentiert sich das Climate-Tech-Unternehmen Exnaton, das als Softwareanbieter auf die Abrechnung von erneuerbaren Energien spezialisiert ist. Im Bestreben, den Weg für ein erneuerbares und nachhaltiges Energiesystem zu ebnen, entwickelt das ETH-Spin-off die KI Abrechnungsplattform PowerQuartier. Diese ermöglicht nicht nur die Abrechnung und Verwaltung verschiedener Energy-Sharing-Konzepte, sondern auch Mikroinvestitionen in gemeinsame Energieanlagen und eine einfache und unkomplizierte Einführung dynamischer Stromtarife. In den Nachbarländern Österreich, Deutschland und Luxemburg setzt Exnaton bereits zahlreiche Projekte zum nachbarschaftlichen Stromhandel sowie zu dynamischen Stromtarifen erfolgreich um. Das Engagement des Jungunternehmens zeigt, dass digitale Technologien einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung einer kollektiven nachhaltigen Energieversorgung der Schweiz leisten können. Dank der KI-Abrechnungsplattform können erneuerbare Energien effizient abgerechnet, komplexe Energiedatenströme verständlich visualisiert und die Bevölkerung in die Energiewende miteinbezogen werden.

Weitere Informationen
www.exnaton.com