Die EWS Energie AG in Reinach AG erhöht ihr Angebot an Naturstrom auf innovative Weise: Sie will ganze Quartiere mit Solarenergie versorgen. In einem Pilotprojekt setzt sie auf eine Tesla-Batterie als Zwischenspeicher. Bei der Studie wird das KMU vom Hightech Zentrum Aargau und vom Institut für Aerosol und Sensortechnik der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW unterstützt.

Der Sattelschlepper aus Rotterdam, der im April auf das Firmenareal der EWS Energie AG fuhr, hatte spezielle Fracht geladen. Im Schiffscontainer befand sich eine fabrikneue Tesla-Batterie, produziert im kalifornischen Werk Fremont des amerikanischen Autoherstellers. Keine Komponente eines Zulieferers der EWS Energie AG dürfte jemals einen längeren Transportweg zurückgelegt haben. Die Batterie ist Teil eines Pilotprojekts, das in der ersten Hälfte 2017 gestartet wurde.

Indirekter Auslöser dieser Studie war der Beschluss von Bundesrat und Parlament, den Schweizer Strommarkt zu liberalisieren. In der Folge begann sich die EWS Energie AG noch verstärkt mit möglichen neuen Dienstleistungen zu befassen. Das Ziel des regionalen Versorgungsunternehmens war und ist klar: Es will sich mit dem Ausbau seiner Produkt- und Dienstleistungspalette von der Konkurrenz unterscheiden und die Kundenbindung weiter vertiefen. Eine wichtige strategische Stossrichtung ist dabei die Erhöhung des Anteils an Naturstrom im eigenen Absatzgebiet.

Machbarkeitsstudie mit dem Hightech Zentrum Aargau
Christian Gerber, seit Mitte 2014 CEO der EWS Energie AG, wandte sich mit einer Investitionsidee an das Hightech Zentrum Aargau in Brugg: Ein Akkuspeicher für Strom aus einer Photovoltaikanlage. Dabei wollte man über eine blosse Simulation hinausgehen und die Variante einer Netzbatterie mit Monitoring auch physisch realisieren. «Wir verfügen weder über die Ressourcen noch über das technische und wissenschaftliche Know-how auf diesem Gebiet und sind daher auf Unterstützung angewiesen.» Beat Dobmann, Energietechnologie-Experte des Hightech Zentrums Aargau, nahm sich des Falls an. In einer Vorstudie klärte er ab, wie ein Akkuspeicher beim Wynentaler Unternehmen eingesetzt werden könnte und evaluierte gemeinsam mit der EWS Energie AG die geeignete Hardware. Zudem wurde eine erste Schätzung der Wirtschaftlichkeit der angepeilten Anlage vorgenommen. Danach griff Dobmann zu einem im Aargau bewährten Instrument, indem er eine Machbarkeitsstudie lancierte. Als Forschungspartner konnte in diesem Fall das Institut für Aerosol und Sensortechnik der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in Brugg-Windisch beauftragt werden.

Im Mai 2018 wurde die Tesla-Batterie installiert und in Betrieb genommen. Aktuell werden 15 Haushalte über eine Transformatorenstation mit Strom aus jener Photovoltaikanlage versorgt, die bereits 2017 auf dem Dach einer Reithalle installiert wurde. Ein Ziel besteht darin, dass die Haushalte möglichst viel Solarstrom verbrauchen. Die Batterie wird tagsüber ab jenem Zeitpunkt geladen, wo ihre Steuerung erkannt hat, dass der Energiebedarf der Haushalte gedeckt ist. Die Batterie mit einer Lade­kapazität von 210 Kilowattstunden versorgt die angeschlossenen Verbraucher bis weit nach Mitternacht. Dieses Projekt hat über den Aargau hinaus Pioniercharakter. Es ist nicht üblich, dass Energieversorgungs­unter­nehmen dezentrale Akkuspeicher einsetzen. Beat Dobmann vom Hightech Zentrum Aargau: «Die EWS Energie AG ist eines der wenigen kleinen Energieversorgungsunternehmen, die schon jetzt mit solchen modernen Konzepten Erfahrungen sammeln. Im Hinblick auf die kommenden Veränderungen im Strommarkt ist diese Strategie weit­sichtig – sie wird sich auszahlen.»

Suche nach dem besten Geschäftsmodell
Im August 2018 wurde die Machbarkeitsstudie abgeschlossen. «Das Verhältnis zwischen Stromproduktionsleistung und Speicherkapazität sei richtig, auch laufe die Anlage mittlerweile tadellos», sagt Experte Beat Dobmann vom Hightech Zentrum Aargau. Aktuell wird die Batterie innert sechs bis sieben Stunden in einem kontinuierlichen Prozess entladen. In dem Rahmen eines Folgeprojekts möchte die EWS Energie AG die übergeordnete Batteriesteuerung inklusive Visualisierung auf die eigenen Bedürfnisse auslegen. Sie will auf diese Weise stärker auf den Lade- und Entladeprozess der Batterie Einfluss nehmen, insbesondere mit Blick auf die künftige Preismechanik im Strommarkt. In der Praxis wird eine neue Steuerung eingebaut werden.

Christian Gerber, CEO der EWS Energie AG, erläutert das weitere Vorgehen: «Wir wollen nun einen Businessplan für jene Versorgungsautarkie erstellen, die wir unseren Kunden – im Idealfall – anbieten und verkaufen. Die Kunden wollen zudem die Bestätigung dafür, dass sie zu 100 Prozent Solarenergie erhalten. Solange wir noch im Testbetrieb operieren, halten wir den Ball im Marketingbereich bewusst flach», erklärt Gerber. Das Institut für Aerosol und Sensortechnik entwickelt in einem nächsten Schritt Geschäftsmodelle, die sich gewinnbringend für die Kundenbindung einsetzen lassen. Erst nach dieser Etappe würden die allenfalls benötigten technischen Zusatzentwicklungen angeschoben. Die Umsetzung im Markt sollte Anfang 2019 erfolgen können.

Für die EWS Energie AG ist die Akkuspeicherstudie sowohl ein relativ günstiger Markttest als auch ein Prestigeprojekt, bei dem viel in neue Technologie investiert wird. Das Versorgungsunternehmen ist froh um die Unterstützung seitens des Hightech Zentrums Aargau und der FHNW. In Sachen Batteriepreis hüllt sich Gerber in Schweigen und verweist auf die Stillhaltevereinbarung mit Tesla. Eine andere Herausforderung: Die Kunden zeigen durchaus Interesse an dieser Art Naturstrom beziehungsweise an einer ökologisch sinnvollen Energieversorgung. Allerdings zeigten sich im Rahmen einer Kundenumfrage erst vier von 10 Verbrauchern auch bereit, den höheren Strompreis zu bezahlen.