Der im September 2023 erschiene Klimareport* von Meteo Schweiz weist 2022 als wärmstes Jahr seit Messbeginn 1864 aus. Die extremen Hitzeund Trockenperioden bedeuten Stress für alle Bäume im Wald. Besonders betroffen sind im Schweizer Mittelland die häufigsten Baumarten Buche, Fichte und Weisstanne. Förster rechnen mit deren weitgehendem Verschwinden bis 2050 und stehen vor der Herausforderung, den Wald in kürzester Zeit für die Klimaerhitzung fit machen zu müssen. Was bedeutet das?

Autor: Christoph Rutschmann

Klima ist das durchschnittliche Wetter – z.B. Temperatur, Niederschläge, Sonnenscheindauer – der vergangenen 30Jahre. Die Jahresmitteltemperatur
lag 2022 in der Schweiz bei 7.4°Grad Celsius, das ist gemäss Meteo Schweiz der mit Abstand höchste Wert seit Messbeginn und setzt den kräftigen Erhitzungstrend der letzten Jahre fort. Die sieben wärmsten Jahre seit Messbeginn wurden alle nach dem Jahr 2010 registriert. Die Messungen und Beobachtungen in der Schweiz liegen im weltweiten Trend: 2022 war global das sechstwärmste Jahr seit 1850, die letzten acht Jahre seit 2015 waren weltweit die wärmsten seit Messbeginn.


DAS SCHWEIZER KLIMA ERHITZT SICH BESONDERS SCHNELL
Bemerkenswert ist, dass sich die Durchschnittstemperatur in der Schweiz mehr als doppelt so schnell erhöht wie im weltweiten Schnitt. Im Vergleich zur vorindustriellen Referenzperiode (1871 bis 1900) liegt das Mittel der letzten zehn Jahre hierzulande um 2.5°Grad Celsius höher, weltweit um 1.1°Grad Celsius.

Hitze und Trockenheit haben gravierende Folgen für den Wald. Vielerorts zeigen sich zahlreiche schüttere, absterbende oder bereits tote Rot- und Weisstannen. Offenbar fühlen sich Borkenkäfer besonders wohl, da die vielen geschwächten Bäume für sie buchstäblich «ein gefundenes Fressen» sind. Buchen – die mit Abstand wichtigste Laubbaumart im Mittelland – leiden ebenfalls unter den extremen klimatischen Bedingungen. Die sengende Sonne verursacht Sonnenbrand, der die Rinde reissen und abplatzen lässt. Die Wurzeln der Bäume können nicht mehr genügend Wasser in die Krone transportieren, die Blätter verdorren und werden abgeworfen. Folgen sich heisse und trockene Jahre in Serie, wie wir das gerade erleben, können sich die Bäume nicht mehr erholen und sterben schliesslich nach einem teilweise jahrelangen Kampf.

Der 2022 leider viel zu früh verstorbene Peter Brang – einer der führenden Waldforscher der Schweiz, Mitarbeiter der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und u.a. Leiter des Forschungsprogrammes Wald und Klima – wies seit Jahren immer wieder auf die Folgen der Klimaerwärmung für den Wald hin und warnte vor dem Ignorieren der unnatürlich schnell ablaufenden Klimaerhitzung. Der Hitzesommer 2003 schwächte viele Waldbäume, es starben vor allem Fichten ab. Trockenheit und Hitze des Sommers 2018 führten zum verbreiteten Absterben von Buchen, Fichten und Weisstannen in der Schweiz und in vielen weiteren Ländern. Brang ortete eindeutig den globalen Klimawandel als Ursache der beunruhigenden Entwicklung

FÖRSTER MÜSSEN DEN WALD «UMBAUEN»
Während Jahrzehnten strebten die Förster eine naturnahe Waldbewirtschaftung an. Der naturnahe Waldbau setzt vor allem auf Naturverjüngung, das heisst, die unter den verschiedenen Baumarten von selbst aufkommenden Bäumchen sind logischerweise wieder die gleichen Arten. Somit verändert sich die Artenzusammensetzung langfristig kaum. Wenn nun aber die häufigsten Baumarten infolge der Klimaerhitzung im Mittelland keine Zukunft mehr haben, dann müssen die Förster aktiv neue Baumarten einbringen. Dies ist sehr aufwendig und erfordert nach der
Pflanzung hoffentlich klimaresistenter Arten wie Eichen, Linden, Nussbäume, Kastanien, Lärchen, Douglasien, Robinien oder
gar exotischer Arten deren Pflege und Schutz vor Wildverbiss.

Besonders anspruchsvoll gestaltet sich der Waldbau in den gebirgigen Schutzwäldern. Es stehen weniger Baumarten zur Verfügung. Pflanzung und Pflege während Jahrzehnten verursachen im unwegsamen Gelände einen besonders hohen Aufwand. Dazu kommt, dass sich die Waldfläche infolge des klimabedingten Ansteigens der oberen Baumgrenze deutlich erhöhen wird. Die Herausforderung besteht darin, den Wald auch künftig naturnah zu bewirtschaften, gleichzeitig aber die Vielfalt mit geeigneten Arten zu erhöhen.

WIRD ES MEHR ENERGIEHOLZ GEBEN?
Holzenergie Schweiz hat die Auswirkungen der Klimaerhitzung auf die Energieversorgung im Allgemeinen und auf den Wald bzw. die Bereitstellung von Energieholz im Speziellen untersucht und in einem Bericht** zusammengefasst. Demnach wird die Klimaerhitzung den Heizenergiebedarf im Winter – je nach Szenarium – um 7 bis 20 Prozent reduzieren. Die fortschreitende energetische Sanierung der Gebäude wird sich ebenfalls reduzierend auf den Energieverbrauch im Winter auswirken. Die Zunahme des Gebäudebestandes hebt diese Reduktion aber mindestens teilweise wieder auf. Gleichzeitig wird der Energiebedarf für die Kühlung im Sommer ansteigen. Die Energienachfrage wird somit über das Jahr verteilt etwas gleichmässiger als heute.

Die Klimaerhitzung beeinflusst die nachhaltig nutzbare Holzmenge auf vielfältige Weise. Einige Faktoren steigern den Holzzuwachs ganz allgemein: So vergrössert das Ansteigen der Waldgrenze die Waldfläche, und die verlängerte Vegetationsperiode steigert die Zuwachsleistung der Bäume in den höheren Lagen. Schon heute nimmt die Waldfläche in der Schweiz jeden Tag um die Grösse von zehn Fussballfeldern zu. Allerdings liegt ein Grossteil des «neuen Waldes» in schwierig zugänglichen Berggebieten.

Einige Faktoren erhöhen den prozentualen Anteil des Energieholzes an der nutzbaren Holzmenge: Die Veränderungen der Baumartenzusammensetzung in tieferen Lagen bevorzugt Laubbäume mit einem im Vergleich zu Nadelbäumen höheren Anteil an Ästen, die sich energetisch nutzen lassen. Laubholz hat zudem pro Volumeneinheit einen deutlich höheren Energie-Inhalt als Nadelholz. Des Weiteren werden durch Hitze geschwächte Bäume vom Borkenkäfer befallen und sterben ab. Das sogenannte Käferholz ist aus qualitativen Gründen oftmals «nur» noch energetisch nutzbar. Drittens ist die Häufung von extremen Wetterereignissen wie Stürme und Trockenheit zu nennen. Sie können im Wald grosse Schäden verursachen. Das qualitativ meist minderwertige Schadholz eignet sich überwiegend nicht mehr als Nutz- sondern «nur» noch als Energieholz. Einzelne grosse Schadensereignisse können das Energieholzangebot einige Jahre lang erhöhen.

Andere Faktoren hemmen den Holzzuwachs: so schwächen Trockenheit und Hitze das Wachstum der Bäume und damit die Zuwachsleistung des gesamten Waldes im Mittelland.

FAZIT
Die Klimaerhitzung schafft weltweit grosse Herausforderungen und Unsicherheiten. Hemmende und fördernde Wachstumsfaktoren des Waldes sind im Einzelnen nur grob quantifizierbar und heben sich teilweise gegenseitig auf. Mit einiger Sicherheit kann gesagt werden, dass die Verfügbarkeit von Holz unregelmässiger wird und grosse Ereignisse das Angebot jahrelang beeinflussen können. Gesichert sind die Zwischenergebnisse des fünften Landesforstinventars LFI (Erhebungsjahre 2018 bis 2022). Sie zeigen die Folgen der trockenen und warmen Jahre ab 2018. So ist die jährlich nachwachsende Holzmenge heute insgesamt tiefer als 2018. In allen Regionen stieg die Anzahl der toten und geschädigten Bäume stark an. Gesamtschweizerisch wachsen wegen fehlender Verjüngung in einem Viertel der Wälder weniger Bäume nach als früher.

Ebenso gesichert ist die die Tatsache, dass die Klimaerhitzung zu Kipppunkten der Ökosysteme führen kann. Die Auswirkungen solcher Ereignisse sind kaum abschätzbar, können aber gravierend sein. Die Gesellschaft muss deshalb in ihrem ureigensten Interesse die Klimaerhitzung soweit möglich begrenzen. «Die Motorsäge, mit der wir am eigenen Ast sägen, sollten wir schnellstmöglich abstellen», stellt Andreas Keel, Geschäftsführer von Holzenergie Schweiz angesichts der heutigen Situation und Erkenntnisse sarkastisch fest.

www.holzenergie.ch

Bilder: @ Christoph Rutschmann, Holzenergie Schweiz