Verschiedene Umfragen zeigen, dass die kernenergiefeindliche Stimmung in der Schweiz schwindet. Im jährlich erhobenen Angstbarometer hat die Furcht vor radioaktiver Verstrahlung stark abgenommen. Auch die Eckwertstudie von swissnuclear zeigt eine Verpuffung des «Fukushima-Effekts». Die Medien schweigen dazu weitgehend.
von Hans Peter Arnold
Die Angst vor einer radioaktiven Verseuchung, die im Jahr 2011 aufgrund des Reaktorunfalls in Fukushima-Daiichi bei der Schweizer Bevölkerung massiv in die Höhe geschnellt war, hat 2012 wieder stark abgenommen. Dies zeigt das im Auftrag der Aduno-Gruppe durchgeführte Angstbarometer 2012 des Forschungsinstituts GFS-Zürich. Stark zugenommen hat hingegen die Angst vor Überfremdung durch Ausländer und Flüchtlinge.
Vergleicht man die Ängste der Schweizer Bevölkerung im Jahr 2012 mit denjenigen von 2011, so fällt gemäss GFS auf, dass viele Ängste, die 2011 stark zugenommen hätten, 2012 wieder deutlich zurückgegangen seien. Am stärksten abgenommen habe 2012 die Angst vor einer Atomverseuchung (-0.4 bei einer Skala von 1=keine bis 10=grosse Bedrohung). 2011 hatte die Kernkraftwerkhavarie in Fukushima-Daiichi dazu geführt, dass die Angst vor einer Atomverseuchung in allen soziodemografischen Gruppen gegenüber 2010 deutlich angestiegen war (im Durchschnitt +0.6). 2012 ist der Index aber fast wieder auf den Stand von vor der Katastrophe zurückgegangen; er notiert bei 5,3 Punkten. Die GFS im Originalton: «Dies zeigt, wie schnell Ängste, die durch ein aktuelles Ereignis ausgelöst werden, wieder verpuffen können.» Dieser Verpuffungseffekt sei auch bei fast allen soziodemografischen Gruppen zu beobachten. Eine Ausnahme bilde die Westschweiz: Hier gaben die Befragten 2012 den gleich hohen Wert (6.1) an wie 2011.
Zwischen dem 16. August bis dem 10. September 2012 wurden in einer repräsentativen Telefonumfrage 1010 Bewohner der Deutsch- und Westschweiz zu ihrem Bedrohungsempfinden befragt. Den Befragten wurden 31 Bedrohungslagen genannt, mit der Bitte, anhand einer 10er-Skala das Ausmass anzugeben, wie stark sie sich in den jeweiligen Bereichen persönlich beunruhigt oder bedroht fühlen. Die Mittelwerte verweisen auf das jeweilige Angstpotential. Das GFS-Angstbarometer wird seit 1978 durchgeführt.
Diese für Atomausstiegsturbos wenig erfreuliche Nachricht hat es nicht in alle Medien geschafft. So hat beispielsweise das Schweizer Radio und Fernsehen dieses Thema beinahe totgeschwiegen. Einzig auf der SRF-Website wurde das Barometer im Zusammenhang mit der Ausstiegsinitiative der Grünen erwähnt. Titel: «Riskante Atomausstiegs-Initiative der Grünen.» Und weiter: «Eigentlich ist der Atomausstieg beschlossene Sache, Bundesrat und Parlament haben zugestimmt. Umfragen aber zeigen, dass die Erinnerung an Fukushima verblasst und die Angst vor der Atomenergie schwindet. In diesem Klima wollen die Grünen den Ausstieg vom Volk besiegeln lassen. Ein Eigentor?»
Grösser publiziert hat die Umfrage Newsnetz.ch/TagesAnzeiger (online), wobei der Titel auf einem anderen Aspekt lag («Linke Angst vor Überfremdung»). Ähnlich die Gewichtung bei der Berner Zeitung und Basler Zeitung. Den Aspekt Kernenergie als Hauptthema hatten die Zeitungen Der Bund, Die Südostschweiz und 20 Minuten, 20min.ch und der Walliser Bote. 20 Minuten titelte: «Angst vor Atomkraft weg – nun wackelt der Ausstieg». Und weiter: Die Schweizer würden sich kaum mehr vor einem Super-GAU fürchten. Der Atomausstieg werde damit in Frage gestellt. Diese Entwicklung sei Wasser auf die Mühlen der Atomkraft-Befürworter: «Die Studie bestätigt, dass der Atomausstieg voreilig und aus Hysterie beschlossen wurde», sagte SVP-Nationalrat Hans Killer gegenüber 20 Minuten. Für ihn sei klar: Der Atomausstieg sei noch nicht in Stein gemeisselt. Christian Wasserfallen (FDP) sagte gegenüber 20 Minuten – an Uvek-Vorsteherin Doris Leuthard gerichtet: «Die Zeit der leeren Worthülsen ist vorbei.» Seine Ankündigung: Atomausstieg sei das eine, dessen Umsetzung das andere. «Es liegt bis heute wenig Konkretes auf dem Tisch.»
Die ebenfalls jährlich erhobene Eckwertstudie von swissnuclear zeigt ein ähnliches Bild wie der Angstbarometer. Von 2215 im September 2012 befragten Personen aus der ganzen Schweiz hielten 74% die Schweizer Kernkraftwerke für sicher. Ein Jahr zuvor war dieser Wert auf gut 68% gesunken. Über die Eckwertstudie 2012  berichteten einzig die NZZ und die Weltwoche. Demgegenüber war die nach Fukushima tiefere Akzeptanz aus der Eckwertstudie 2011 auf mehr Echo gestossen, unter anderem online bei der Aargauer Zeitung und beim Blick.

Diese Kolumne von Hans Peter Arnold erschien erstmals am 10.12.2012 im E-Bulletin des Nuklearforums Schweiz.