Dr. Peter Morf, Präsident des Vereins Zukunftsregion Argovia (ZURA) und Experte des Hightech Zentrums Aargau, und Matthias Eifert, Geschäftsführer E-Cargovia.

Autos mit Elektroantrieb fahren in der Schweiz auf der Überholspur – auch im Rahmen von Carsharing. Die Plattform E-Cargovia zieht nach gut einem Jahr eine positive Startbilanz. Die Flotte soll 2021 verdoppelt werden

Diese Konstellation kennt nur Gewinner: E-Cargovia ist ein «Triple-
Win». Das Konzept wurde vor gut einem Jahr vom Verein Zukunftsregion
Argovia und seinen Trägern entwickelt und gestartet. Elektroauto-Sharing nützt den Benutzern, verringert die Platzprobleme des Individualverkehrs und leistet nicht zuletzt einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaziele. Carsharing an sich wurde in der Schweiz vor mehr als 70 Jahren erstmals umgesetzt: 1948 von der «Schweizer Selbstfahrgenossenschaft » in Zürich. Heute gilt mehr denn je: Wer für den schnellen Einkauf oder den Wochenendausflug auf individuelle Auto-Mobilität setzen will, für den ist Carsharing eine attraktive Option.

Carsharing mit Elektroautos ist ein Beitrag zur Lösung von Problemen der städtischen Mobilität. Motorisierter Individualverkehr braucht viel Platz. Dank Carsha-ring ist mittelfristig eine geringere Fläche an Parkplätzen erforderlich. Zudem lässt sich die Belastung mit Lärm und Schadstoffen
substantiell verringern. In der Schweiz wird ein Drittel der CO2-Emissionen
vom Verkehr verursacht.

Gemeinsam Ansatz mit Potenzial zur Erreichung Nationaler Ziele
Hinter dem Verein Zukunftsregion Argovia (ZURA) stehen vier Träger: Das Hightech Zentrum Aargau, die Abteilung Energie des Kantons Aargau, die AEW Energie AG in Aarau und die Eniwa AG in Buchs. «Ich sehe im Geschäftsmodell von ECargovia ein sehr grosses Potential, um einigen drängenden Problemen der stätischen Mobilität zu begegnen», betont
Dr. Peter Morf, Präsident der ZURA sowie Technologie- und Innovationsexperte des Hightech Zentrums Aargau. Morf ergänzt: «Wir sehen, dass eine neue Antriebstechnologie – mit den Möglichkeiten einer Sharing-App kombiniert – nicht nur eine massive Reduktion von CO2- Emissionen erlaubt, sondern auch den Flächen- und Rohstoffverbrauch sehr stark reduziert. Das sind technische und organisatorische Innovationen, welche wir vom Hightech Zentrum Aargau natürlich
begrüssen und unterstützen.»

Positive Startbilanz
E-Cargovia ist im November 2019 als Pilotprojekt mit drei Fahrzeugen gestartet. Ende 2020 umfasste die öffentliche Flotte bereits 10 Autos. Zwei weitere Fahrzeuge werden von Gemeinden für interne Zwecke genutzt. Betankt wird die Flotte von E-Cargovia ausschliesslich mit erneuerbarem Strom aus der Region. «Bisher machten über 750 Personen von unserem Angebot Gebrauch und die Tendenz ist klar steigend», zieht Matthias Eifert, ZURA-Geschäftsführer, eine Zwischenbilanz. Jeden Monat kommen 30 bis 40 neue Nutzer hinzu. Hinter den zehn Fahrzeugen (derzeit neun BMW i3 und ein Kia Soul) stehen mehr als zwei Dutzend «Fahrzeug-Partner»: Städte,
Gemeinden, Banken, Versicherungen und lokale KMU. Bis Ende 2021 soll die «Stromerflotte» auf über 20 Fahrzeuge wachsen und auch zusätzliche Fahrzeugtypen umfassen.

Neue Partner in Brugg
Im April 2021 folgt ein nächster Expansionsschritt mit zwei Fahrzeugen in Brugg. Die neuen Partner haben unterschiedliche Motive: Für die BRUGG eConnect AG lag dieses Engagement praktisch auf der Hand, wie Roland Helbling, Product Manager und Projektleiter, ausführt. Die BRUGG eConnect entwickelt und produziert in der Schweiz und in Polen Kabel
und Systemlösungen für die Industrie, Windenergieanlagen und die E-Mobilität. Das KMU ist einer der führenden Anbieter von DC-Ladesystemlösungen.

Die IBB Energie AG ist ein regionales Querverbundsunternehmen,
welches zusammen mit ihren Kunden bereits erste Erfahrungen im Bereich der Elektromobilität sammelt. So offeriert das Brugger Unternehmen bereits unterschiedliche Typen von Ladestationen für Geschäftskunden und deren Flotten und Garagisten und sammelt so wichtige Erkenntnisse für die zukünftige Entwicklung. «Die Bedeutung der Elektromobilität steigt schnell. Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit geben, diese Form des Individualverkehrs selber auszuprobieren », sagt Philippe Ramuz, Geschäftsleiter Netz-Dienstleistungen der IBB Energie AG. Der Technopark Aargau werte mit seinem Engagement seinen Standort mit einer zusätzlichen Dienstleistung auf, erläutert Geschäftsführer Beat Christen. Die Unternehmen im Haus erhalten einen nahen Zugang zu einem Elektro-Mietfahrzeug und einer E-Ladestation, was der Standortattraktivität
zugutekommt.

Bereits seit dem Betriebsstart von ECargovia ist die AEW Energie AG involviert. Für die AEW Energie AG als Netzbetreiber und Dienstleister ist das Thema Elektromobilität ein zukunftsträchtiges Feld, welches sie ganzheitlich (Ladestationen, Abrechnungssysteme) angeht. Carsharing
ist eine wesentliche Komponente, da hier alle Bereiche der Elektromobilität miteinander verbunden werden. Das Interesse bei Energieversorgungsunternehmen und Privatpersonen ist gross, sagt Arian Rohs, Leiter Netz-Services der AEW Energie AG. Das Unternehmen führte (Stand Ende März 2021) mit rund einem Dutzend Gemeinden Gespräche im Hinblick auf eine mögliche Teilnahme an der Aargauer ECarsharing-Plattform.

Kurzinterview: “Beste Werbung ist ein Fahrendes Sharing-Fahrzeug”
Kurzinterview mit Matthias Eifert, Geschäftsführer Zukunftsregion Argovia (ZURA):

Herr Eifert, wie solid ist E-Cargovia nach gut einem Jahr positioniert?
Matthias Eifert: Das Start-up E-Cargovia ist bereits gefestigt, hat aber noch viel Neuland vor sich. Das Live-Testing ist weitgehend abgeschlossen.

Wie hat sich die App bewährt?
Eifert: Kinderkrankheiten wurden ausgemerzt und die App wird kontinuierlich weiterentwickelt. Die Prozesse zwischen Plattform, Garagisten und der Hotline haben sich eingespielt. Jetzt gilt es, die gemachten Erfahrungen für die nächsten Schritte zu nutzen.

Wie beurteilen Sie die Akzeptanz des Produkts?
Eifert: In den Regionen mit E-Cargovia-Fahrzeugen ist die Akzeptanz gut, sowohl in ländlichen als auch in urbanen Gebieten. In Coronazeiten werden die Fahrzeuge etwas weniger als vorher gebucht. Aber man kennt uns immer besser. Die beste Werbung ist ein fahrendes Sharing-Fahrzeug.»

Wie intensiv werden die Elektromobile bisher genutzt?
Eifert: In den vergangenen 12 Monaten sind die Fahrzeuge zwischen 12’000 und 17’000 Kilometer gefahren. Aktuell haben wir täglich eine Fahrt pro Fahrzeug. Das ist noch ausbaufähig. Das liegt einerseits an Corona, aber auch an den Wintermonaten.

Im Namen der Plattform steckt «Aargau». Ist das auch eine strategische
Leitplanke?

Eifert: Die Idee war: Eine Plattform von und für Aargauer Gemeinden und Versorgungsunternehmen zu etablieren und gemeinsam mit regionalen und nationalen Partnern ein Konzept anzubieten, welches diese ohne grossen Mehraufwand und eigene personelle Ressourcen nutzen können. Das funktioniert natürlich auch in anderen Regionen ausserhalb des Aargaus. Eine erste solche Partnerschaft läuft übrigens seit Februar 2021 mit der Rentra AG aus Hombrechtikon im Kanton Zürich.

Welches sind aktuell die grössten Herausforderungen?
Eifert: Als Start-up müssen wir bei den Prozessen eine gewisse Kontinuität erreichen. Technische Entwicklungen und Stabilität sind das A und O für einen reibungslosen Betrieb. Gleichzeitig müssen wir flexibel und für Kunden-Feedbacks offen sein. Das angestrebte Wachstum ist eine Herausforderung für das noch junge Pflänzchen E-Cargovia. Ein weiterer Punkt sind die Rahmenbedingungen: Es ist nicht immer möglich, einen Standort auf öffentlichem Grund zu erhalten. Häufig sind wir auf eine Geste der jeweiligen Gemeinde oder Stadt angewiesen.

Sie haben auch Konkurrenz …
Eifert: … dass andere Anbieter ihre Flotten auf rein elektrisch betrieben Fahrzeuge umstellen, freut uns. Es bestätigt, dass wir mit unserem Ansatz richtig lagen und wie andere kleinere Anbieter Pionierarbeit leisten. Dies, auch ohne Förderung durch Bund und Kantone.

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