- Jan Konrád, kaufmännischer Direktor der Unicorn Systems a.s.

In der Schweiz sind wir bereits mehr als zehn Jahre tätig, wobei wir hier vor allem mit dem Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid zusammenarbeiten. Im Vorjahr schlossen wir mit ihm den Liefervertrag für einen bedeutenden Teil der Lösungen im Rahmen des Programms SMARTA. Dieses Programm hat zum Ziel, vollständig das bisherige System SCADA/EMS zu ersetzen, das für das Dispatching des schweizerischen Übertragungsnetzes verwendet wird. Die Sicherheit der Stromlieferungen in der Schweiz wird somit neuerdings von der Softwarelösung Griffin unseres Unternehmens Unicorn Systems überwacht.

Im Rahmen des Programms SMARTA unterteilte Swissgrid sein neues System in drei Teile – SCADA, EMS Core und EMS Case Builder. Das Unternehmen Unicorn Systems entwickelt und liefert die Lösung EMS Case Builder, die die analytische Ebene zur Modellierung von Szenarien und Varianten bietet, die verschiedene Situationen und Zustände des Stromnetzes in Echtzeit sowie einen Ausblick auf die folgenden bis zu 72 Stunden reflektieren. Diese Outputs sind entscheidend für die sofortige und richtige Reaktion bei der Steuerung des Übertragungsnetzes anhand der tatsächlichen Entwicklung mit dem Ziel, Überlastungen der Netzelemente zu vermeiden.

Der EMS Case Builder geht von unserem Produkt Griffin aus, das unter den ähnlichen auf dem Markt verfügbaren Systemen hochinnovativ ist, denn er wurde von Anfang an als moderne Webanwendung in einer Mikroservice-Architektur entworfen und erstellt. Swissgrid erhält so gegenüber den traditionellen Lösungen einen einzigartigen Vorteil, denn die gelieferte Anwendung wird flexibel, skalierbar und in Zukunft einfach zu erweitern sein. Griffin nutzt in vollem Umfang unsere offene Unicorn Mobile-First IoT-Ready Cloud Architecture, die moderne Technologie und Prozesse zur Anwendungsentwicklung verbindet und bereits in Dutzenden erfolgreichen Projekten in ganz Europa erprobt ist.


Übertragungsnetze müssen auf erneuerbare Energien vorbereitet werden

Die Schweiz investiert zur Zeit bedeutende Summen in ihr Übertragungsnetz, um besser den Herausforderungen einer kohlenstofffreien Energiewirtschaft gerecht zu werden. Im Unterschied zu Deutschland geht sie an die derzeitigen Situation rationeller heran, zum Beispiel entschied sich die Schweiz, ihre Kernkraftwerke bis zum Ende ihres jeweiligen Lebenszyklus weiter zu betreiben. Neue Kernkraftwerke zu bauen ist jedoch nicht geplant, und deshalb wird auch die Schweiz in Zukunft gegen die mit dem Übergang auf erneuerbare Energien verbundenen Probleme zu kämpfen haben.

Erneuerbare Energiequellen stellen für Übertragungsnetze eine Herausforderung dar, denn man kann dann nicht mehr wie in der Vergangenheit die Energieerzeugung planen und steuern. Wir müssen daher darauf vorbereitet sein, rasch auf Änderungen der erzeugten Strommenge bei Wetterveränderungen zu reagieren. Obwohl ein gewisser Anteil an steuerbaren Energiequellen bleibt, wird die Situation weniger voraussehbar und weniger stabil als in der Vergangenheit.

Während der folgenden 10 bis 20 Jahre kommt es in der Energiewirtschaft zu einem grundsätzlichen Wandel, auf den wir uns vorbereiten müssen. Diese Transformation spielt sich auf zwei Ebenen ab. Die erste betrifft umfangreiche Investitionen in die Ausrüstung und Infrastruktur, wie etwa Verstärkung der bestehenden Übertragungsleitungen und Bau von neuen Hochspannungsleitungen. Der zweite wesentliche Aspekt ist die eigentliche Steuerung des Übertragungsnetzes, die zur Zeit mit Hilfe von Informationssystemen automatisiert ist. Die Fähigkeiten und die Qualität dieser Systeme ist entscheidend für zuverlässige Lieferungen in der neu entstehenden Umgebung, in der die erneuerbare Energiequellen dominieren werden.

Die Schweizer sind sich dessen bewusst und haben deshalb ein umfangreiches Programm der schrittweisen Innovation ihrer Steuer- und Informationssysteme in Angriff genommen. Grundlage für jeden Übertragungsnetzbetreiber ist das System SCADA/EMS (System Control and Data Acquisition / Energy Management System), das physisch das Übertragungsnetz selbst steuert und Bestandteil der kritischen (oder ehe der kritischsten Infrastruktur) ist.

Das Übertragungsnetz wird ferner beeinflusst von den mit der Organisation des Strommarkts zusammenhängenden Systemen, die als Market-Management-Systeme (MMS) bezeichnet werden. Diese Systeme ermöglichen die Interaktion des Übertragungsnetzes mit den Marktteilnehmern. Bei einem liberalisierten Markt ist es zum Beispiel notwendig, Reserveleistungen für die Bilanzierung des Übertragungsnetzes zu kaufen, die Geschäfte zwischen den Marktteilnehmern zu registrieren, für grenzüberschreitende Nominierungen zu sorgen oder Abweichungen abzurechnen. Die Handelssysteme, die von den Steuersystemen getrennt sind, tauschen jedoch mit ihnen Daten aus, ohne die sie heute nicht arbeiten können. Inzwischen sind diese Systeme aus betrieblicher Sicht ebenfalls kritisch, denn die Handelsprozesse verlaufen fast in Echtzeit und ohne sie ist keine effektive Steuerung der Übertragungsnetze möglich.

Neben diesen beiden Systemgruppen besteht noch eine dritte Gruppe der unterstützenden Systeme, die nicht weniger wichtig sind, obwohl sie nicht so spezifisch für das Übertragungsnetz sind. Jedes Unternehmen benötigt zum Beispiel ein ERP-System, ein geografisches Informationssystem und weitere Informationstechnologien, die den laufenden Betrieb unterstützen. Gemeinsam sind die erwähnten Systeme grundsätzlich für das richtige Arbeiten eines modernen Energiesystems.

Unser Unternehmen Unicorn Systems widmet sich langfristig gerade den spezialisierten Systemen und Handelssystemen für Übertragungsnetze. In diesem Bereich verfügen wir über ein breites Produktportfolio, was auch der Grund ist, weshalb wir seit vielen Jahren zu den führenden Lieferanten der Swissgrid AG zählen.“

Energiehandel im grundlegenden Wandel

Der Energiesektor entwickelt und verändert sich ständig, was sich auch in der Art des Handels widerspiegelt. Früher wurden zum Beispiel ausländische Kapazitäten über langfristige Kontrakte gehandelt. Nach und nach ging man jedoch auf einen Echtzeit-Handel über, außerdem werden die Handelsintervalle ständig verkürzt ‒ zur Zeit gehen wir auf gesamteuropäischer Ebene auf Viertelstunden-Intervalle über. Dieser Trend kommt der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen entgegen, innerhalb einer Stunde kann sich nämlich etwa die Stromerzeugung der Photovoltaikanlagen deutlich unterscheiden, worauf schnell und genau reagiert werden muss.

Die Kürzung der Handelsintervalle bedeutet größere Datenmengen, mit denen gearbeitet werden muss, sowie höhere Anforderungen an die Verarbeitungsgeschwindigkeit. Dabei gibt es auch Überlegungen, die Handelsintervalle weiter zu verkürzen, zum Beispiel auf 5 Minuten, was eine noch präzisere Steuerung ermöglichen, zugleich jedoch höhere Ansprüche an die Handelssysteme und Datenverarbeitung bedeuten würde. Somit ist es notwendig, einen vernünftigen Kompromiss zwischen dem zu finden, was bei angemessenen Kosten technisch möglich ist, und dem, was ideal wäre.

Wir müssen bedenken, dass die Funktion der Übertragungsnetze primär von den grundlegenden physikalischen Gesetzen bestimmt wird. Die Handelsdimension ist lediglich ein über dem physischen Komplex definierter Überbau mit eigenen Regeln und Prozessen. Beide Welten sind zwar getrennt, trotzdem aber vielfältig verbunden, weil die Handelsdimension des Netzbetriebs stark das Verhalten der Unternehmen und Haushalte beeinflusst, die an das Übertragungsnetz angeschlossen sind.

Deshalb gilt: je mehr die Handelsflüsse sich der Echtzeit nähern, umso größer wird die Bedeutung des tatsächlichen Zustands des Übertragungsnetzes im Handelsprozess (und umgekehrt). Aus diesem Grund entwickeln wir unsere Produkte ständig so weiter, dass sie auf die Zukunft vorbereitet sind. Jetzt konzentrieren wir uns darauf, bei der Auswertung der Handelstransaktionen die Echtzeit und den physikalischen Zustand des Übertragungsnetzes in Betracht ziehen zu können. Zum Beispiel müssen wir bei der Organisation des kurzfristigen Marktes und bei der Optimierung der Transaktionen daran denken, wie sich die Handelsflüsse auf die konkreten Netzelemente verteilen. Unser Handelssystem arbeitet daher mit einem Netzmodell und vermag problematische Stellen zu identifizieren, die potenzielle Einschränkungen darstellen.

Wie das Energiesystem effektiv steuern?

Eine Reihe von Übertragungsnetzbetreibern überlegt jetzt, ob ihr Steuer- und Informationssystem auf die neue Energiewirtschaft vorbereitet ist. Der Austausch eines solchen Systems ist dabei eine sehr teure und riskante Angelegenheit. Auf dem Markt gibt es außerdem nur eine sehr begrenzte Anzahl verfügbarer Lösungen, die zudem oft technologisch veraltet sind. Diese Technologien haben ihre Wurzeln in den 1980iger Jahren und obwohl sie robust und leistungsfähig sind, leiden sie an einer beschränkten Flexibilität und Fähigkeit zur dynamischen Weiterentwicklung, was in der heutigen sich rasch entwickelnden technologischen Welt ein großes Problem darstellt. Ein eigenständiges Kapitel ist dabei die begrenzte Verfügbarkeit von IT-Experten, die in der Lage sind, mit diesen Technologien zu arbeiten. Die Rigidität der Steuersysteme kann somit leicht zu einer Bremse für andere Weiterentwicklungsaktivitäten im Unternehmen werden. „Eisen“ zu kaufen, ist nämlich relativ einfach, aber wenn Sie kein System haben, das effektiv mit ihm zu arbeiten vermag, ist das im Grunde zu nichts nutze.

Um diese Beschränkungen zu überwinden, entschied sich Swissgrid für ein einzigartiges Konzept, bei dem es das Steuersystem in drei Teile aufgeteilt hat. Die unterste Ebene stellt das System zur Datenerfassung in Echtzeit dar, das eine Steuerung der Anlagen ermöglicht (SCADA). Der zweite Teil besteht aus der Schicht für energetische Berechnungen über der Grundschicht (EMS). Und schließlich folgt ein neuer Visualisierungs-, Modellierungs- und Simulationsaufbau, den Swissgrid „Case Builder“ nannte.

Seine Aufgabe ist es, die zukünftige Entwicklung aufgrund des aktuellen Netzzustandes vorherzusagen, aus der er mögliche Varianten in Abhängigkeit von der Energieerzeugung, den Verbrauchsschwankungen oder dem Anschließen und Abkoppeln verschiedener Netzelemente ableitet. Ferner berücksichtigt der SMS-Aufbau mögliche Störungen und erstellt verschiedene Szenarien der möglichen Lageentwicklung. Für diese Szenarien simuliert er dann unterschiedliche Konfigurationen und testet die Reaktionen, die in der betreffenden Situation eintreten sollten. Dieser Aufbau arbeitet somit als Analyse- und Simulationstool, das einen Gesamtüberblick der möglichen zukünftigen Entwicklung im Übertragungsnetz zur Verfügung stellt.

Gerade diesen dritten Teil liefert unser Unternehmen Unicorn Systems, denn die bisherigen auf dem Markt verfügbaren Lösungen erfüllten nicht die Anforderungen von Swissgrid. Die Lösung wird von unserem Standardprodukt Griffin ausgehen, ist flexibel und unabhängig vom Kern des Steuersystems, ermöglicht eine Weiterentwicklung und schnelle Änderungen zu vernünftigen Kosten. Den Vertrag haben wir bereits unterzeichnet und bis Ende dieses Jahres sollen wir den Schweizern die erste Version der neuen Anwendung liefern. Dank ihr wird Swissgrid besser vorbereitet sein auf die Herausforderungen der modernen Energiewirtschaft und in der Lage sein, effektiver auf sie Situation im Übertragungsnetz zu reagieren, was angesichts der wachsenden Anzahl von Extremsituationen immer wichtiger wird. Obschon dieses Projekt allein keine Lösung ist, stellt es doch einen der entscheidenden Schritte zur Anpassung an die zu erwartende zukünftige Entwicklung dar. Deshalb verfolgen auch zahlreiche andere Übertragungsnetzbetreiber dieses Projekt mit großem Interesse.

Ein neues Produkt, das bisher auf dem Markt fehlt

Reimplementationen von Steuersystemen stellen allgemein extrem anspruchsvolle, komplizierte und kostenaufwändige Projekte dar. Aus diesem Grund gehen alle mit Befürchtungen und großer Vorsicht an sie heran. Wenn es uns gelingt, dieses Projekt gemeinsam mit Swissgrid erfolgreich abzuschließen, kann es zu einem interessanten Beispiel für andere Betreiber werden.

Im Rahmen des Projekts entsteht so auf unserer Plattform Griffin ein neues Produkt, wie es bislang auf dem Markt nicht zur Verfügung steht. Unsere Managementsysteme (die unter der Marke Damas vertrieben werden) sind nämlich in erheblichem Maß von den Spezifika des Marktes in der Europäischen Union beeinflusst. Im Unterschied zu ihnen wird die neue Lösung weltweit anwendbar sein, denn die Probleme, mit denen wir heute in Europa zu kämpfen haben, werden früher oder später für alle eine Herausforderung sein.

Griffin ist ein Plattform der neuen Generation zur Analyse von Energienetzen und zur Unterstützung von Koordinierungsprozessen. Die Anwendung stellt einen einzigartigen Satz an Handelsmodulen und technischen Komponenten zur Analyse von Energienetzen und zur Unterstützung der Betriebsplanung dar. Die Plattform gründet sich außerdem auf unserer offenen Unicorn Mobile-first IoT-ready Cloud Architecture, die die modernsten Trends in der Entwicklung von Informationssystemen widerspiegelt. Im Projekt sehen wir daher ein strategisches Potenzial, das den Rahmen der eigentlichen Lieferung für das schweizerische Übertragungsnetz bei weitem sprengt.

Swissgrid ist der nationale Übertragungsnetzbetreiber in der Schweiz. Swissgrid hat etwa 700 hochqualifizierte Mitarbeiter aus 33 Ländern in seinen Standorten in Aarau, Prilly, Castione, Landquart, Laufenburg, Ostermundigen und Uznach. Als Mitglied des Verbands Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) ist es auch verantwortlich für Netzplanung, Systemsteuerung und Vorschlagen der Marktprinzipien. Die Aktienmehrheit an Swissgrid wird gemeinsam von verschiedenen schweizerischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen gehalten.

Wer ist Jan Konrád?

Jan Konrád studierte internationale Beziehungen an der Wirtschaftsuniversität Prag und Recht an der Juristischen Fakultät der Karls-Universität Prag. Im Jahr 1997 begann er als Programmierer bei der Unicorn Systems a.s. zu arbeiten. Er durchlief mehrere technische Positionen, danach widmete er sich überwiegend der Handelstätigkeit von Unicorn in der tschechischen Energiewirtschaft und im Ausland. 2013 wurde er zum Aufsichtsratsmitglied ernannt mit Verantwortung für die internationale Expansion des Unternehmens Unicorn Systems. Seit 2016 hat er die Stellung des Kaufmännischen Direktors inne. Seit 1999 entwickelt Jan Konrád systematisch die Aktivitäten des Unternehmens in der Energieindustrie weiter und beteiligt sich entscheidend an der Festlegung und Verwirklichung der Firmenstrategie in diesem Bereich.

Über Unicorn

Unicorn ist ein renommiertes europäisches Unternehmen, das die größten Informationssysteme und Lösungen aus dem Bereich der Informationstechnologien bereitstellt. Langfristig konzentrieren wir uns auf eine hohe Wertschöpfung und Wettbewerbsvorteile für unsere Kunden. Auf dem Markt agieren wir bereits seit 1990 und schufen in dieser Zeit eine Reihe von umfangreichen Spitzenlösungen, die unter den bedeutendsten Unternehmen aus verschiedenen Branchen verbreitet sind und genutzt werden. Zugleich entwickeln wir das Unicorn Universe – Digital Twin Construction Kit. Dieses Produkt nutzt den Internetdienst Plus4U zum Erbringen eines umfangreichen Portfolios an Diensten, die sich auf robuste Softwarelösungen für kleine und mittelständische Unternehmen sowie für Endbenutzer stützen. Unsere Software unterstützt einen effektiven und schonenden Umgang mit den Naturressourcen und ein rücksichtsvolles Verhalten gegenüber der Umwelt.

Unser Ziel ist es, die Menschen und auch die Gesellschaft weiterzubilden. Deshalb gründeten wir 2007 die Unicorn University, die auch die Unicorn Top Gun Academy betreibt – ein komplexes Bildungssystem für unsere Mitarbeiter, also für jeden von uns.