HEV-Direktor Markus Meier über einen dringend notwendigen Systemwechsel und weshalb ein geschlossenes Ja an der Urne wichtig ist.
PRESTIGE Business: Herr Meier, in rund drei Monaten stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über die Abschaffung des Eigenmietwerts ab – National- und auch Ständerat haben vorgängig im Dezember 2024 einer Vorlage zum sogenannten «Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung» zugestimmt. Sind Sie erleichtert?
Markus Meier: Für eine Erleichterung ist es zu früh, wir haben noch viel Arbeit vor uns. Die Abstimmungskampagne fängt erst gerade an zu laufen. Aber natürlich ist es erfreulich, dass sich das Eidgenössische Parlament zu einer Lösung zusammengerauft hat, welche die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung für Wohneigentümer endlich möglich macht.
Diesem Entscheid gingen über acht Jahre intensive politische Debatte voraus. Können Sie uns mehr darüber berichten?
Für Wohneigentümer steht die Aufhebung der Eigenmietwertbesteuerung seit Jahrzehnten zuoberst auf der Agenda. Leider sind frühere Anläufe dazu immer wieder auf der Strecke geblieben. 2016 gab der Hauseigentümerverband Schweiz dann die Initialzündung zur aktuellen Vorlage mit seiner Petition, für die er innerhalb von nur vier Monaten über 145’000 Unterschriften gesammelt hatte. Diese Petition bewog die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates dazu, im Februar 2017 eine parlamentarische Kommissionsinitiative einzureichen. Nach langwieriger Beratung mit Abklärungen, Anhörungen, Vernehmlassungen und Differenzbereinigungen wurde das Geschäft mit deckungsgleichen Beschlussfassungen von National- und Ständerat am 20. Dezember 2024 zustimmend verabschiedet.
Gehen wir noch etwas weiter zurück – zu den Anfängen der Eigenmietwertbesteuerung: Wie hat sich diese Steuer entwickelt, wie ist sie entstanden?
Im Ersten Weltkrieg brachen die Zollerträge der Schweiz ein. Zur Überbrückung der Kriegsjahre wurde eine einmalige «Kriegssteuer» eingeführt. Vermutlich in Erinnerung daran wurde nach der Weltwirtschaftskrise von 1928/29 im Jahr 1933 mit Notrecht eine «Krisenabgabe» eingeführt, ein Teil davon war auch der Eigenmietwert. Ab 1945 wurde diese «Krisenabgabe» dann unter dem Titel «Wehrsteuer» erhoben. Erst 1958 erfolgte mittels Volksabstimmung die Überführung ins ordentliche Recht, wo sie seit 1982 nun «Direkte Bundessteuer» heisst. Was also als einmalige Steuer 1915 begann und während 43 Jahren als Notrecht weitergeführt wurde, hat heute noch Bestand.
Weshalb benötigt das aktuelle System eine Änderung?
Die Eigenmietwertbesteuerung ist ein Fremdkörper im Schweizer Steuersystem. Wohneigentum ist der einzige Vermögenswert, für den ein fiktives Einkommen versteuert werden muss. Die Spezialsteuer belastet selbstnutzende Wohneigentümer, bestraft die Abzahlung von Hypothekarschulden und sorgt dafür, dass aus Wohneigentum zur Altersvorsorge vielmehr eine Sorge im Alter wird. Zudem verursachen der administrative Vollzugsaufwand und viele komplexe Verfahrensverläufe alljährlich gigantische Aufwendungen.
Was sind die wesentlichen Änderungen? Können Sie uns einen Überblick geben?
National- und Ständerat haben zwei Vorlagen beschlossen, die inhaltlich zusammenhängen, nämlich das «Bundesgesetz über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung» und den «Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften». Die zweite Vorlage kommt als Verfassungsänderung obligatorisch an die Abstimmungsurne und benötigt das Volks- und Ständemehr. Die erste Vorlage kann nur in Kraft treten, wenn auch die zweite gutgeheissen wird.
Das «Bundesgesetz über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung» beinhaltet die folgenden Bestimmungen:
- Es gibt keine Eigenmietwertbesteuerung von selbstgenutztem Wohneigentum im Privatvermögen am Hauptwohnsitz und bei Zweitliegenschaften.
- Es gibt keinen Abzug für Unterhaltskosten, Rückbaukosten sowie Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen bei selbst genutztem Immobilieneigentum im Privatvermögen am Hauptwohnsitz und ebenso bei Zweitliegenschaften.
- Möglich ist ein Abzug von denkmalpflegerischen Arbeiten, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften, im Einvernehmen mit Behörden oder auf deren Anordnung hin vorgenommen worden sind, soweit diese Arbeiten nicht subventioniert wurden.
- -Die Kantone können weiterhin Abzüge für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen sowie für Rückbaukosten vorsehen.
- Nur wenn im Privateigentum nebst dem selbst genutzten Wohneigentum auch vermietete oder verpachtete Liegenschaften vorhanden sind, wird ein beschränkter, sogenannter «quotal-restriktiver Abzug» für private Schuldzinsen, basierend auf der Quote von unbeweglichem Vermögen – ohne selbst genutztes Wohneigentum – zum Gesamtvermögen gewährt.
So berechnet sich der quotal-restriktive Schuldzins (Berechnungsbeispiel Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV)):
– Total aller Vermögenswerte = 3’000’000 Franken
– Vermögenswert 1: Selbst genutztes Wohneigentum 1’500’000 Franken = Anteil 33.33 Prozent
– Vermögenswert 2: Vermietetes Mehrfamilienhaus 1’500’000 Franken = Anteil 33.33 Prozent
– Vermögenswert 3: Wertschriftenportefeuille 1’500’000 Franken = Anteil 33.33 Prozent
Einziger unbeweglicher, nicht selbst genutzter Vermögenswert ist das vermietete Mehrfamilienhaus (Vermögenswert 2); dessen Anteil am Gesamtvermögen beläuft sich somit auf 33.33 Prozent (= quotal-restriktive Quote).
Somit können im dargestellten Beispiel 33.33 Prozent aller kumulierten Schuldzinsen (unabhängig von deren Herkunft) in Abzug gebracht werden.
Wichtig: Bei vermieteten oder verpachteten Liegenschaften im Privatvermögen können weiterhin unverändert die Unterhaltskosten, die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften, die Versicherungsprämien und die Kosten der Verwaltung durch Dritte abgezogen werden.
Wichtig für alle, die erstmalig Wohneigentum erwerben, ist, dass zur Umsetzung von Artikel 108 der Bundesverfassung (unter anderem Wohneigentumsförderung) die folgende Bestimmung neu eingeführt wird:
- Begrenzter und befristeter Schuldzinsabzug für Ersterwerber bei erstmaligem Erwerb einer dauernd und ausschliesslich selbst bewohnten Liegenschaft in der Schweiz; im ersten Steuerjahr nach Erwerb: 10’000 Franken für Ehepaare, 5000 Franken für übrige Steuerpflichtige. In den nachfolgenden Steuerjahren jeweils jedes Jahr zehn Prozent weniger.
Der «Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften» beinhaltet die folgende Bestimmung:
- Die Kantone können aufgrund ihrer Verfassungskompetenz eine Objektsteuer auf überwiegend genutzte Zweitliegenschaften als Kompensationsmassnahme (für die bei den Zweiliegenschaften entfallenden Eigenmietwerte, Anmerkung der Redaktion) einführen.
Sind Sie zufrieden mit diesen Vorlagen?
National- und Ständerat haben sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen können. Die von den beiden Kammern verabschiedete Vorlage ist somit Fakt und in der vorliegenden Form zu respektieren. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, mit nichts anderem.
Wann wird es zur Volksabstimmung kommen?
Der Bundesrat hat den Abstimmungstermin auf den 26. September festgesetzt. Der HEV Schweiz hat an einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung einstimmig die Ja-Parole beschlossen und wird sich im Abstimmungskampf für die Annahme der Vorlage engagieren.
Wie reell schätzen Sie die Chance ein, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dem Parlament folgen und der Eigenmietwert endlich abgeschafft wird?
Die Chancen dazu sind absolut intakt. Bis zur Volksabstimmung braucht es aber noch ein gerütteltes Mass an sachlicher Information, damit die Inhalte der Vorlagen von allen verstanden und damit auch sachlich richtig beurteilt werden können. Von entscheidender Bedeutung werden das geschlossene Ja und die aktive Teilnahme der Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer – und natürlich auch jener, die es gerne werden möchten – an der Abstimmung sein.
Auch aus bürgerlichen Kreisen gibt es Kritik an der Vorlage. Es wird moniert, dass Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer künftig weniger Geld in den Unterhalt ihrer Liegenschaft stecken werden, weil – im Gegenzug zur Streichung des Eigenmietwerts – bisherige Möglichkeiten von Steuerabzügen dahinfallen werden. Das wiederum werde der Bauwirtschaft schaden. Ihre Meinung?
Zuallererst ist festzuhalten, dass es um die Abschaffung einer seit Jahrzenten zu Recht monierten Spezialsteuer geht, welche alle selbst nutzenden Wohneigentümer jedes Jahr belastet. Wohneigentümer müssen heute Steuern abliefern für Geld, das sie nie erhalten haben.
Wenn die Eigenmietwertsteuer wegfällt, ist es sachlogisch, dass auch damit verbundene Abzüge dahinfallen. Zu beachten ist aber, dass die Kantone im Energiespar- und Umweltschutzbereich weiterhin Abzüge gewähren können. Und Eigentümer, welche zusätzlich über vermietete Wohnobjekte verfügen, können im Rahmen des sogenannten «quotal-restriktiven» Umfangs weiterhin einen Teil ihrer Schuldzinsen in Abzug bringen. Bei Mietliegenschaften bleiben (wie weiter oben dargelegt) auch die Unterhalts-, Versicherungs- und Verwaltungskosten unverändert abziehbar.
Ich kenne niemanden, der sein Wohneigentum verlottern lassen wird, nur weil er die Unterhaltskostenabzüge nicht mehr tätigen kann. Man unterhält seine Liegenschaft doch im Interesse des Investitionsschutzes und weil alle gern «schön» wohnen. Wertvermehrende Investitionen sind übrigens schon heute nicht abziehbar.
Es braucht eine Langzeitbetrachtung: Man darf nicht nur jene Steuerjahre sehen, in denen man namhafte Abzüge tätigen kann. Massgeblich ist die gesamte Nutzungsdauer der Liegenschaft. Wenn 40 Jahre Eigenmietwert wegfallen, dürfte das insgesamt frankenmässig mehr sein als die Gesamtheit der heutigen Abzüge in den gleichen 40 Jahren. Schliesslich werden gemäss Berechnungen des Bundes die Steuerabgaben der Wohneigentümer – gerechnet bei einem Hypothekarzins von 1.5 Prozent – um 1.5 Milliarden Franken entlastet, wohlgemerkt pro Jahr! Viel Geld, das für Gebäudeunterhalt, Renovationen und Kreditrückzahlungen freigespielt wird.
Der gegenüber heute nicht mehr mögliche Hypothekarzins-Abzug wird die Amortisation der Hypothek attraktiv machen. Das ist zentral, denn wir haben heute mit mehr als 1200 Milliarden Franken eine der höchsten Privatverschuldungen – für die Schweizer Volkswirtschaft und für uns alle ein zu hohes Risiko.
Was ändert sich für Mieterinnen und Mieter?
Mietverhältnisse sind von den beiden Vorlagen nicht betroffen. Wenn aber bisherige Mieterinnen und Mieter erstmals Wohneigentum erwerben – und das möchten sehr viele – können sie von der weiter oben erwähnten Wohneigentumsförderung für Ersterwerber profitieren.