Aufschlussreiche App entwickelt: Teil der Kläranlage des Abwasserverbandes Lenzburg.

«citelligent 2021: Lösungen für die Stadt von morgen»: Smart-City-Projekte standen im Zentrum dieser Fachtagung, die zum zweiten Mal in Lenzburg durchgeführt wurde, erstmals nicht nur virtuell, sondern real auf Schloss Lenzburg und erneut mit dem Hightech Zentrum Aargau als Co-Organisator, gemeinsam mit der Stadt Lenzburg und dem Beratungsunternehmen savisio AG.

Die Unterstützung von KMU-Innovationsprojekten ist die zentrale Mission der Hightech Zentrum Aargau AG (HTZ) in Brugg. Der HTZSchwerpunkt Energietechnologien und Ressourceneffizienz unter Leitung von Dr. Peter Morf engagiert sich auch 2021 – zusätzlich zum Kerngeschäft der Innovationsförderung von KMU – bei einer Reihe von Digitalisierungs-Foren (siehe Box). Bei der citelligent 2021 war das HTZ von Beginn an in die Organisation und Durchführung involviert. Während Monaten haben Arbeitsgruppen aus Forschung und Industrie Lösungen für Problemstellungen von Städten und Gemeinden entwickelt. Die nun präsentierten Lösungsansätze betreffen fünf Themenblöcke: Energie und Umwelt, Bezahlsysteme, Infrastruktur, Gesellschaftspolitik sowie Gesundheitswesen. Nachfolgend ein Überblick über sechs Projekte aus dem grössten Bereich, Energie und Umwelt, der von Peter Morf geleitet wird.

Mitorganisator: Dr. Peter Morf, Leiter des Schwerpunkts Energietechnologien und Ressourceneffizient, Hightech Zentrum Aargau.

NETTO-NULL-SZENARIEN FÜR DIE SCHWEIZ
Wie lässt sich dieses Ziel erreichen? Dr. Gianfranco Guidati vom Energy Science Center der ETH Zürich war Leiter des Programms JASM (Joint Activity Scenarios and Modelling). Dort flossen die Resultate der Simulationen und Modelle bezüglich des Energiesystems der Schweiz ein. Guidati gab einen Überblick, wie die Dekarbonisierung und der Umbau des Energiesystems erreicht werden können. Erforderlich und realisierbar sind Aktionen auf allen Ebenen. Privatpersonen können sich beim Zubau von Photovoltaik und dem Wechsel der Heizungssysteme engagieren. Übergeordnet müssten Gemeinden, Kantone und der Bund aktiv werden und unter anderem den gesetzlichen Rahmen anpassen – beispielsweise wenn es darum geht, auf Bundesebene den Preis für CO2 festzulegen. Auch der Ausbau der Speicherseen muss national koordiniert werden. Die Geothermie muss auf kantonaler oder Gemeindeebene vorangetrieben werden.

ABFALLBEWIRTSCHAFTUNG MORGEN
WiSort ist ein Startup der ETH Zürich mit Beteiligung von Absolventen des Politecnico di Milano. Dr. Ermes Zamboni, CEO des Jungunternehmens, brachte auch gleich den Prototypen der von WiSort entwickelten Abfallsortiermaschine mit. Das Ziel ist es, mit dieser Maschine Stoffe dezentral zu trennen, um sie danach einer gesonderten Nutzung zuzuführen. Zusätzlich könnten Daten zur Entstehung der Abfallströme zu vorgelagerten Effizienzmassnahmen führen. Bis 2023 will WiSort eine marktreife Maschine entwickelt haben. Parallel dazu wollen Zamboni und sein Team ihr Waste- Management-System weiterentwickeln.

ZEV ALS CHANCE FÜR EVU
Der Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) ist eine schweizerische Konstruktion, um Solarstrom in einem Nutzerkreis direkt zu konsumieren. Damit in einem ZEV untersucht werden kann, welche Kosten resultieren und welche Einsparungen möglich sind, müssen die jeweiligen Stromverbräuche für Intervalle von jeweils 15 Minuten ermittelt werden. Dann kann der mögliche Solarertrag je nach Dachfläche und -geometrie auf den Verbrauch abgestimmt werden. An der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW wurde unter der Leitung von Prof. Stefan Roth, Dozent für Erneuerbare Energien am Institut für Biomasse und Ressourceneffizienz, gemeinsam mit der SWL Energie AG Lenzburg ein Tool entwickelt. Damit lassen sich Energieflüsse und Kosten erheben. Auch kann zum Beispiel der Einsatz einer Batterie getestet werden. Für viele Energieversorgungsunternehmen (EVU) könnte ein solches Werkzeug interessant sein, um ihre Angebote im Bereich ZEV zu optimieren.

Mitorganisator: Dr. Dominik Grögler, Partner der savisio AG, Zürich.

STROMMARKTÖFFNUNG – UND DANACH?
Das Aarauer Unternehmen Virtual Global Trading AG erstellt zusammen mit der SWL Energie AG eine Plattform, welche den Stromhandel von morgen realisieren soll. Diese Plattform soll es den Nachbarn einer grossen Solaranlage ermöglichen, direkt von dieser Anlage Strom zu beziehen, falls Überschüsse anfallen. Zusätzlich möchte die Virtual Global Trading auf dieser Plattform für die jeweiligen Kunden des EVU zusätzliche Dienstleistungen anbieten, welche derzeit noch entwickelt werden.

LÄSTIGE GERÜCHE
Als Betriebsleiter des Abwasserverbandes Lenzburg ist Roman M. Bieri auch mit der Klärung der kommunalen Abwässer betraut. Das Gesetz schreibt vor, auch «lästige » Geruchseinflüsse von der Bevölkerung fernzuhalten. Was heisst «lästig»? Zur Beantwortung dieser Frage wählte der Abwasserverband einen innovativen Ansatz. Damit die Bevölkerung sehen kann, dass die Kläranlage permanent läuft und nicht nur dann, wenn sie Geruchsemissionen ausströmt, wurden Geruchssensoren installiert. Solche sind im Bereich der WC-Automation üblich. Das Prinzip: Sprühen, wenn Gerüche auftreten. Diese Daten werden konstant erhoben und werden der Bevölkerung via Web-Applikation zur Verfügung gestellt. Dieses Instrument könnte zur Einsicht beitragen, dass die Kläranlage die meiste Zeit funktioniert, ohne dass «lästige» Gerüche verbreitet werden.

IN DER REGION
Gemeinsam mit dem Kanton Aargau hat die SWL Lenzburg eine Studie in Auftrag gegeben, welche erste Erkenntnisse zur geothermischen Nutzung des Untergrundes im Raum Lenzburg geliefert hatte. In der Folge hat das Unternehmen Geneva Earth Resources mit vorliegenden Daten zum Untergrund, bezogen von Nagra, Swisstopo und anderen, eine 3D-Karte zur
Abschätzung der Geothermiepotentiale erstellt. Diese Potentiale wurden mit dem möglichen Verbrauch an der Oberfläche verglichen. Laut Dirk Friedmann, Leiter Vertrieb der SWL, könnte es in Lenzburg interessantes Geothermie-Nutzungspotential geben. In einer nächsten Phase sollen konkrete Umsetzungspläne angefertigt werden.

Innovatives Waste Management: Ermes Zamboni (links) und Nikhil Prakash vom Startup WiSort.

WIE WEITER MIT DEN PROJEKTEN?
Es gehört zu den citelligent-Grundsätzen, dass die anvisierten Lösungen umsetzbar und auf andere Städte oder Gemeinden übertragbar sind. Zudem sollen die Ergebnisse nach dem «Open Source»-Prinzip frei verfügbar sein. Einige der Projekte werden von den involvierten Unternehmen weiterentwickelt. Bei anderen Vorhaben will die savisio AG selber eine treibende Kraft für die Weiterentwicklung sein.

AARGAUER DIGITALISIERUNGS-EVENTS
Digitalisierung und Energie gehören zu jenen Themen, die im Mittelpunkt von Schwerpunktprojekten stehen, welche das Hightech Zentrum Aargau (HTZ) allein oder gemeinsam mit Partnerorganisationen durchführt. Auch Corona-bedingt kam es im laufenden Jahr im Spätsommer zu einer Ballung von Events: Anfang September gingen die Open Farming Hackdays im Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen über die Bühne. Digitale Lösungen für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft standen im Zentrum jener zweitägigen Veranstaltung. Die Open Farming Hackdays – eine nationale Veranstaltung – werden auch 2022 wieder auf dem Programm stehen. Auf die Fachtagung «citelligent 2021» im Schloss Lenzburg folgten Ende September 2021 die Energy Data Hackdays. Dieser zweitägige «Hackathon» wurde vom HTZ bereits zum dritten Mal – und wiederum erfolgreich – am HTZ-Sitz in Brugg durchgeführt.
Links: www.hightechzentrum.ch | citelligent.ch

CITELLIGENT 2022 BEREITS GESETZT
Rund 60 Vertreterinnen und Vertreter der öffentlichen Hand, von Forschungsinstituten und der Privatwirtschaft nahmen an der citelligent 2021 teil. Die Organisatoren zeigten sich mit der ersten physischen citelligent zufrieden. «Durch die heterogene und interdisziplinäre Teilnehmerschaft sind wir unserem Ziel, Städten und Gemeinden auf ihrem Weg zur Smart City konkrete Hilfestellungen anzubieten, ein weiteres Stück nähergekommen», sagt Dr. Dominik Grögler, Partner der savisio AG. Das Format sei auf Anklang gestossen. Die thematische Breite sei bereichernd, aber auch herausfordernd gewesen. «Für die citelligent 2022 am 15. September 2022 werden wir uns jedoch auf weniger Projekte fokussieren, damit diese mehr Raum erhalten», ergänzt Grögler. Eine strengere Selektion werde mit dazu beitragen, das Niveau der Projektqualität und der Präsentationen noch anzuheben.